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Schluss machen oder bleiben

Schluss machen oder bleiben

Ob man Schluss machen oder bleiben soll, gehört zu einer der folgenreichsten und schmerzlichsten Entscheidungen. Jeden Tag wälzen Millionen von Menschen auf der Welt insgeheim dieses Problem im Kopf herum, während sie ihrem Alltag nachgehen und die Partner an ihrer Seite vermutlich gar keine Ahnung haben, welche gravierende Entscheidung sie gerade belastet.

Diese Frage stellt sich heutzutage öfter als je zuvor. Wir erwarten in der Liebe das große Glück und beschäftigen uns intensiv mit der Frage, ob unsere Beziehung mit ihren sexuellen und emotionalen Frustrationen normal oder von pathologischen Mustern geprägt ist, die uns schleunigst ausbrechen lassen sollten.

Traditionell war die Entscheidung in gewisser Hinsicht wesentlich leichter, weil äußere Sanktionen dafür sprachen, nicht Schluss zu machen: Die Religionen postulierten, dass Gott Beziehungen segnete und es ihn erzürnte, wenn Paare sich trennten. Die Gesellschaft war entschieden gegen Trennung und strafte Geschiedene Jahrzehnte lang mit Schimpf und Schande, und Psychologen erklärten, dass Kinder durch das Ende der Elternbeziehung dauerhaft schwer geschädigt würden.

Aber allmählich werden diese Einwände gegen eine Trennung weniger relevant. Die Religion drängt uns nicht mehr zum Bleiben, der Gesellschaft ist es egal, und die Psychologen sagen, Kindern wäre eine kaputte Familie lieber als eine unglückliche. Die Last der Entscheidung tragen wir jetzt also ganz allein.

Das einzige Kriterium für Schluss machen oder bleiben sind unsere Gefühle. Aber sich über diese klar zu werden, ist verzwickt, weil sie sich naturgemäß ändern und allen rationalen Kategorien entziehen.

In dieser Situation kann es helfen, ein paar Fragen zur Hand zu haben – eine Art Checkliste für ein Selbstgespräch in stillen Morgenstunden:

  • Wie viel von meinem Unglück hat mit genau diesem Partner zu tun? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, in fünf Jahren und nach vielen Auseinandersetzungen zu merken, dass dies einfach eine natürliche Begleiterscheinung eines gemeinsamen Lebens ist?
  • Auch wenn natürlich immer hauptsächlich der andere Schuld ist: Welchen winzigen Anteil habe ich selbst an den Schwierigkeiten, die wir miteinander haben? Inwiefern bin ich manchmal nicht leicht zu ertragen?
  • Welche negativen Eigenschaften meiner früheren Partner hat mein jetziger Partner nicht? Worüber streite ich in der aktuellen Beziehung eben nicht?
  • Jede neue Verliebtheit ist leicht zu überprüfen, indem man den anderen besser kennenlernt.
  • Wie viele sexuell verfügbare und intelligente Singles um mich herum, insbesondere jene, die neue Dating Apps nutzen, kommen tatsächlich mit dem Alltag eines Zusammenlebens zurecht?
  • Ich könnte mich um ein weiteres Gespräch mit meinem Partner bemühen, bei dem ich keine Vorwürfe mache, sondern in Ruhe erkläre, wie ich mich fühle und wie enttäuscht ich über ein paar Dinge bin.
  • Wie würde es mir als Kind gehen, wenn ich künftig zwei winzige Schlafzimmer, zwei neue Stiefeltern und ein paar neue Halbgeschwister hätte? Inwiefern ist das mit meiner aktuellen schwierigen Situation vergleichbar?
  • Wie häufig kommt es überhaupt vor, dass Paare nach zwei Jahren noch ständig tollen Sex haben?
  • Bin ich bereit, gegebenenfalls nicht mehr zur erreichen, als ein vertrautes Unglück gegen ein neues, vielleicht komlizierteres Unglück einzutauschen? Möchte ich auf Hoffnung oder auf Erfahrung setzen?

Wenn du danach immer noch gehen möchtest, kannst du jetzt, mit einem etwas geringeren Risiko, es später zu bereuen, schweren Herzens und mit wachem Verstand Schluss machen und gehen.

By The School of Life

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