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Warum wir geliebten Menschen (manchmal) den Tod wünschen

Warum wir geliebten Menschen (manchmal) den Tod wünschen

Es ist äußerst beschämend und verstörend zuzugeben, dass es Momente gibt, in denen wir uns der Vorstellung hingeben, etwas schreckliches würde jemandem passieren, der uns sehr nahe steht. In den Tiefen unserer Gedankenwelt haben wir mitunter die Vorstellung, dass es eine enorme Erleichterung wäre, wenn ein Partner oder ein Familienmitglied einfach von der Erdoberfläche verschwinden würde. Sie könnten an einer Kreuzung überfahren werden, ihr Flugzeug könnte abstürzen oder sie könnten einer seltenen und tödlich verlaufenden Krankheit erliegen (es würde überhaupt nicht weh tun).

Natürlich wäre das unglaublich traurig, aber in bestimmten Hinsichten auch eine große Erleichterung und Befreiung. Kaum hat uns dieser Gedanke erfasst, jagen wir ihn erschrocken fort und fühlen uns schuldig. Um aber unsere makaberen Fantasien richtig einzuordnen, sollten wir uns vor Augen führen, wie wenig wir darüber wissen, was anderen Menschen heimlich durch den Kopf geht. Wir sind uns unserer düstersten Gedanken bewusst, erfahren aber fast nie die der anderen. Deshalb kommt es häufig vor, dass wir glauben, bestimmte Dinge seien sehr viel seltener, als sie es in Wirklichkeit sind. Tatsächlich sind düstere Fantasien sehr verbreitet. BeraterInnen und TherapeutInnen – die mehr über die heimlichen Gedanken anderer Menschen erfahren als irgendwer sonst – überrascht es nicht, wenn freundliche, vernünftige und interessante KlientInnen zögerlich zugeben, sie wünschten sich manchmal, ein geliebter Mensch würde sich in Luft auflösen.

Jemandem nahezustehen bringt immer auch einen hohen Grad an dem mit sich, was TherapeutInnen „Ambivalenz“ nennen: eine Vermischung von starken negativen und positiven Gedanken. Wenn Menschen eine große Rolle in unserem Leben spielen, wenn sie eine enorme emotionale Macht über uns haben, wenn wir das Gefühl haben, ihnen tief verpflichtet zu sein – dann werden wir sie zugleich innig lieben und in manchen Momenten von uns stoßen wollen. Wir werden zärtlich und wütend sein, Zuneigung verspüren und auch Abscheu. Geliebte Menschen können uns enttäuschen, wie kaum jemand anders es kann; sie kennen unsere verletzlichsten Seiten, sie begeistern uns und rauben uns zugleich die Kraft.


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Natürlich werden wir nichts tun. Wir treffen nicht einmal die kleinsten vorbereitenden Maßnahmen; wir würden nie Gift kaufen, oder unsere große Liebe dazu ermuntern, an einem windigen Abend an einer Klippe spazieren zu gehen. Aber nichtsdestotrotz kann uns ein düsterer Tagtraum Erleichterung verschaffen.

Fantasien sind keine Pläne. Sie entsprechen nicht unseren tatsächlichen Werten oder Absichten. Sie dienen uns als kurze Fluchtmöglichkeiten vor mächtigen Gefühlen. Wir stellen uns nicht deshalb den Tod einer geliebten Person vor, weil wir sie tatsächlich loswerden wollen, sondern weil ihre Nähe ein so großer und deshalb manchmal schwieriger Teil unseres Lebens ist. Unsere düsteren Vorstellungen sind eine seltsame aber reale Folge der Intensität unserer Beziehungen. Die Schuldgefühle sind ein Zeichen dafür, dass uns, ungeachtet von Spannungen und Enttäuschungen, die andere Person sehr viel bedeutet. Die Fantasien bedeuten nicht, dass wir krank sind. Sie bedeuten, dass Frustration zur Liebe dazugehört.

Glücklicherweise ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Angehörigen oder Partner uns gegenüber ähnliche Fantasien hegen und von den exakt gleichen Schamgefühlen und Gewissensbissen geplagt werden. Auch das ist kein Zeichen von Abscheulichkeit, sondern nur ein weiterer Beweis für die schönen und überraschenden Raffinessen der Liebe.

Der Text ist die Übersetzung eines Beitrags aus The Book of Life.


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