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Warum wir von der Liebe weniger erwarten sollten

Warum wir von der Liebe weniger erwarten sollten

Es kann sich sehr seltsam und ein wenig bedrohlich anfühlen, darüber zu sprechen, die Erwartungen an eine Beziehung zu reduzieren. In unserer geerbten kollektiven romantischen Kultur stellen wir uns gerne vor, dass gut funktionierende Paare mehr oder weniger alles gemeinsam tun und stets im Mittelpunkt des Lebens des jeweils anderen stehen.

Das gute Paar, so sagt man uns, ist eines, in dem zwei Menschen einander mehr oder weniger alles bedeuten. In einer guten Beziehung sollen wir die Bedürfnisse des anderen in jedem Bereich des Daseins erfüllen – vom Sex bis zur intellektuellen Stimulation, vom Kochstil bis zu den Gewohnheiten im Schlafzimmer. Wir sollen unser soziales Leben im Tandem führen, der primäre Resonanzboden für die Probleme des anderen sein und uns gegenseitig im Geist und in der Materie ergänzen. Wenn sie eine Sportart ausüben, sollten wir begeistert mitmachen oder zumindest jedes Wochenende kommen und sie anfeuern; wenn wir ein bestimmtes Land besuchen wollen, sollen sie eifrig neben uns her trotten; unsere Freunde müssen zugleich auch ihre Freunde sein…

Das klingt hübsch, ist aber – auf lange Sicht – ein Garant für eine Katastrophe. Es gibt keine zwei Menschen, die sich in allen Bereichen ihrer Existenz gleichen; und der Versuch, dies herbeizuführen, führt unweigerlich zu Verbitterung und rasender Wut. Wir haben uns auf der kollektiven Ebene ein äußerst unpraktisches Bild davon angeeignet, wie Beziehungen laufen sollten: Jede eigenständige Handlung wird als Zeichen dafür gewertet, dass wir uns nicht wirklich lieben können. Es wird als unheilvolles Warnsignal verstanden, wenn wir allein in andere Länder reisen oder getrennt schlafen. 

So zwingen wir uns letztlich gegenseitig, Dinge zu tun, die wir nicht wirklich mögen (wir nötigen uns gegenseitig zu langweiligen Hobbys oder zu treffen uns mit den „eigenwilligen“ alten Freund*innen des jeweils anderen), nicht weil wir das tatsächlich wollen, sondern weil uns jede andere Regelung als Verrat aneinander erscheint. Eine realistischere und im wahrsten Sinne des Wortes romantische Sichtweise von Paaren würde nahe legen, dass es einige zentrale Bereiche geben muss, in denen wir die Bedürfnisse der*des anderen befriedigen können, dass es aber auch viele andere Bereiche geben sollte, in denen wir unsere Ziele definitiv besser allein verfolgen.


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Schaue Dir folgende Liste an, und verteile Sterne (von eins bis fünf), je nachdem, wie relevant dir die Punkte erscheinen:

Ich würde gerne:

  • ohne meine*n Partner*in reisen
  • allein mit einem Freund oder einer Freundin zu Abend essen
  • ohne meinen Partner auf eine Party gehen können, ohne dass er oder sie sich ausgeschlossen fühlt
  • meine Eltern alleine besuchen
  • meine*n eigene*n Finanzberater*in haben
  • alleine lange Spaziergänge unternehmen
  • ein separates Badezimmer haben
  • mit einem Freund oder Freundin statt mit meinem Partner oder Partnerin einkaufen gehen

Bewertet die Punkte getrennt von einander und schaut Euch dann die Liste und die Sterne des jeweils anderen an. Gibt es etwas, womit Du Dich gut arrangieren könntest? Wir sollten erkennen, dass ein gewisses Maß an Unabhängigkeit kein Angriff auf einen Partner ist: Es ist eine Garantie für die Stabilität der gegenseitigen Verpflichtung, die wir eingegangen sind. Wirklich beständige Paare sind nicht diejenigen, die alles zusammen machen, sondern diejenigen, die es geschafft haben, ihre Unterschiede in undramatischen Begriffen zu verhandeln. 

Letztlich bedeutet eine Verringerung der Abhängigkeit nicht, dass sich eine Beziehung auflöst: Es bedeutet, dass wir gelernt haben, uns klarer und intensiver auf das zu konzentrieren, was die andere Person uns tatsächlich geben kann, und dass wir aufgehört haben, ihr vorzuwerfen, dass sie nicht jemand ist, der sie nie war. Wir brauchen uns nicht mehr darüber aufzuregen, dass ihr ideales Urlaubsziel uns unattraktiv erscheint, oder dass ihre Freunde uns langweilen. Wir haben stattdessen gelernt, unsere*n Partner*in für die Dinge zu schätzen, bei denen wir wirklich übereinstimmen. Um eine harmonische Verbindung mit jemandem zu genießen, sollten wir dafür sorgen, dass wir auch ohne diese Person viele Quellen der Aufregung, Bestätigung und Inspiration haben. Wenn wir auf Probleme stoßen, sollten wir in der Lage sein, uns auch auf andere Stützen zu stützen.

Die Erwartung, dass ein anderer Mensch uns für all das, was in unserem Leben alarmierend, ermüdend oder mangelhaft ist, entschädigt, ist ein Mechanismus, der systematisch jede Beziehung zerstört. Unsere Konflikte und Enttäuschungen werden sich auf einmal überschaubarer anfühlen, wenn wir aufhören, von unserem Partner oder Partnerin zu verlangen, als unsere lange verlorene andere Hälfte zu fungieren. Je besser wir ohne eine Beziehung überleben können, desto größer werden ihre Überlebens- und Erfüllungschancen sein. Wir werden der Liebe wirklich eine Chance geben, wenn wir aufhören zu glauben, dass sie uns im Alleingang retten kann.


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By The School of Life

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