03/26/2020
All
Wann wir die Nachrichten ausschalten sollten
Wir müssen natürlich immer auf dem laufenden sein. Aber um bei Verstand zu bleiben, müssen wir auch – an bestimmten Stellen – Dinge vergessen oder uns zumindest nicht mit einer solchen Wucht und Regelmäßigkeit an sie erinnern.
Um ein halbwegs ausgeglichenes Leben zu führen, brauchen wir ein Gleichgewicht zwischen inneren und äußeren Belangen: Wir müssen die generelle Bedeutung einer Krise durchdringen, ohne uns jedoch so tief in den minütlich aufkommenden Details zu verlieren, dass wir unseren Anschluss an Vernunft und Realität verlieren und unfähig werden, Verantwortung für uns selbst und andere zu tragen.
Wir sind so daran gewöhnt, unsere Menschlichkeit mit unserer Fähigkeit gleichzusetzen, zu empfinden, dass wir leicht aus den Augen zu verlieren, welch eine wichtige Leistung es gelegentlich sein kann, unbewegt zu bleiben.
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Die Grenzen unserer Konzentrationsfähigkeit und unserer emotionalen Ressourcen sind eng. Daher müssen wir – wenn wir unserer Verantwortung für die Menschen gerecht werden wollen, die in hohem Maße von uns abhängig sind – eine kalkulierte Einschränkung der Anteilnahme und des Interesses am großen Ganzen vornehmen. Es geht um die Erkenntnis (die weit davon entfernt ist, uns als gefühlskalte Psychopath*innen auszuweisen), dass die Themen, die diese Nachrichten aufwerfen, wie alarmierend sie auch sein mögen, im Moment nicht unbedingt unsere eigenen sind. Wir werden anderen nichts Substantielles anzubieten haben, solange wir vergessen, uns eine Zeit lang um unsere eigenen Belange zu kümmern.
Wir brauchen gelegentlich eine Pause von dem sonst so starken Eindruck, dass in den kommenden Stunden das Ende der Menschheit bevorsteht. Wir könnten von der Fähigkeit profitieren, in unserer Vorstellung in den Weltraum aufzusteigen, viele Kilometer über dem Erdmantel, zu einem Ort, an dem die aktuellen Ereignisse etwas von ihrer Macht über uns verlieren und selbst die hartnäckigsten Probleme angesichts der immensen Zeitspannen verblassen, von denen der Blick auf andere Galaxien zeugt.
Wir sollten gelegentlich unsere eigenen Nachrichten vernachlässigen, um die weitaus ungewöhnlicheren, wundersameren Schlagzeilen jener weniger redseligen Spezies aufzugreifen, die uns umgeben: Turmfalken und Schneegänse, Spinnenkäfer und Zwergzikaden, Lemuren und kleine Kinder – alles Kreaturen, die an unserem eigenen Kummer wohltuend uninteressiert sind; ein Gegengewicht zu unseren Ängsten und Sorgen.
Ein einigermaßen gesundes Leben erfordert die Fähigkeit, die Zeiten zu erkennen, in denen uns die Nachrichten nichts Wichtiges mehr zu lehren haben; in denen wir ihre wichtigsten Lektionen gelernt haben und keinen Nutzen daraus ziehen, weiter verunsichert zu werden. Zeiten, in denen wir die große Perspektive verlassen müssen, um uns um die Nöte und Bedürfnisse unseres ganz unmittelbaren Umfelds zu kümmern.
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