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Vom Small Talk zum Deep Talk

Vom Small Talk zum Deep Talk

Manchmal meiden wir gesellschaftliche Anlässe aus einem einfachen Grund: Wir hassen Small Talk.

Vielleicht haben wir keine Lust auf Partys, weil wir wissen, dass es unvermeidbar ist, übers Wetter, über Parkplätze, Verkehr oder Urlaubspläne zu reden. Dabei gäbe es so viele tiefschürfende und bedeutsamere Themen: die Zukunft der Menschheit, das Schicksal des Landes oder die feinen Nuancen unserer melancholischen Gemütszustände.

Auf Partys aber scheint eine Vorstellung von Gemeinschaft und Austausch zu herrschen, die sich auf langweiliges und banales Gerede beschränkt. In solchen Situationen können wir uns stärker allein fühlen, als wenn wir tatsächlich allein zu Hause sitzen. Doch diese strikte Ablehnung von Small Talk ist ein Resultat dessen, dass wir nicht wissen, was Small Talk eigentlich sein kann: Der Anfang eines sehr viel tieferen und interessanteren Gesprächs.

Hier sind also 4 Dinge, die wir über Small Talk wissen sollten, damit es uns gelingt, ihn in Deep Talk zu verwandeln.

1) Small Talk hilft, einen Einstieg zu finden

Der Philosoph Arthur Schopenhauer bemerkte düster, wir sollten, immer wenn wir jemanden kennenlernen, daran denken, dass derjenige kurz davor sein könnte, nach einer Waffe zu greifen und Schluss mit dem eigenen Leben zu machen. Small Talk erlaubt uns, die Verfassung unserer Gesprächspartner aus sicherer Entfernung abzuwägen – und zu ermessen, mit welchen gravierenderen und interessanteren Themen wir gefahrlos einsteigen können.

2) tiefe Gespräche brauchen keine hochtrabenden Themen

Wer sich über Small Talk aufregt, übersieht häufig, dass es nicht das Thema ist, das über die Bedeutsamkeit eines Gesprächs entscheidet. Es kann durchaus banal sein, wie jemand über den Tod spricht und umgekehrt bedeutsam, wie man über das Wetter redet.

Wer wirklich empfindsam ist, kann ebenso spannende Gedanken zum Spiel eines Kindes haben, wie zu den Rätseln der Philosophie. Wir sollten uns davon inspirieren lassen, wie viele große Künstler*innen sich in ihrem Werk Motiven gewidmet haben, die uns selbst für Small Talk zu banal erscheinen.


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Anfang des 19. Jahrhunderts malte etwa der englische Künstler John Constable fünfzig Mal die Wolken über Hampstead Heath in London und entdeckte dabei die unglaubliche Schönheit und Komplexität des wechselvollen Schauspiels am Himmel. Mit ähnlicher Offenheit bewunderte am Ende des 19. Jahrhunderts Paul Cézanne die vielseitige Schönheit von Äpfeln. Er malte Dutzende Studien dieses bescheidenen Obstes, in Schalen und auf Kommoden.

Der Buddhismus lehrt uns, dass für den, der richtig hinschaut, die ganze Welt in einem Sandkorn zu sehen ist. Jemand, der in der Kunst des guten Gesprächs geübt ist, weiß aus Erfahrung, dass das, was ein Mensch über einen bewölkten Nachmittag empfindet, uns Zugang zu dessen Seele verschaffen kann. Erlebnisse beim Einparken können uns etwas über die Einstellung des anderen zu Autorität verraten oder über die Beziehung zu den Eltern.

3) wir sind langweiligem Geplänkel nicht hilflos ausgeliefert

Die Angst vor Small Talk entspringt einer ganz verständlichen Sorge, dass wir nicht in der Lage sind, das Gespräch zu lenken; dass wir die Kleinkariertheit oder Zwanghaftigkeit unserer Gesprächspartner*innen hilflos ertragen müssen. Wir glauben im Grunde, dass ein Gespräch ein naturgegebenes Ereignis ist, das uns zustößt, aber nicht von uns gestaltet werden kann.

Das äußert sich etwa darin, dass wir glauben, stets auf der selben Ebene bleiben zu müssen: Auf eine Anekdote über ein Golf-Tournier müssen wir mit einer Bemerkung zum Thema Golf antworten; wenn jemand über Missverständnisse bei einer Hotelbuchung erzählt, müssen wir über eigene Urlaubserfahrungen sprechen. Tatsächlich haben wir viel mehr Einfluss – fast immer haben wir die Möglichkeit, das Gespräch mit persönlicheren oder wesentlicheren Fragen voranzubringen. Und das können wir mit dem sicheren Wissen tun, dass kaum jemand auf Dauer an der Oberfläche bleiben will. Unsere Gesprächsteilnehmer*Innen wissen nur nicht so recht, wie sie in die Tiefen vordringen sollen.

Eine Person, die gerade erstaunlich lang und breit über das Essen im Flugzeug redet, ist natürlich schon in der Liebe enttäuscht worden, war mal verzweifelt, hat versucht, schwierige Eltern zu verstehen, wusste nicht wie es weitergehen soll – und wird sich letztlich danach sehnen, nicht über eingeschweißte Brötchen zu reden, sondern darüber, was ihr wirklich auf dem Herzen liegt. Was wir lernen müssen, ist es aufmerksam zuzuhören und auf die richtige Weise nach diesen Dingen zu fragen.

4) gute Gespräche brauchen Verletzlichkeit

Wir leben in einer Gesellschaft, die uns unter großen Erfolgsdruck stellt. Wenn wir jemanden kennenlernen, lautet die erste Frage oft „Und, was machst du so?“. Viel zu häufig verbirgt sich dahinter keine aufrichtige Neugier, sondern nur der Versuch, anhand unseres beruflichen Status ein Urteil über uns zu fällen. Entsprechend fühlen wir den Druck, uns als möglichst erfolgreich darzustellen und unser Gegenüber zu beeindrucken. Für gute Gespräche ist dies allerdings eine Sackgasse. Vielleicht beeindruckt Stärke, aber echte Verbundenheit erreichen wir nur durch Verletzlichkeit. Wir sollten den Mut haben, anzunehmen, dass andere uns nicht abwerten, wenn wir ein wenig mehr von unserem wahren Selbst zeigen – und dass es manchmal nichts Beeindruckenderes und Großzügigeres gibt, als eine ruhevolle Preisgabe unserer Gefühle von Traurigkeit, Isolation, Sorge und existentieller Verzweiflung.

Auch unser Gegenüber – egal wie erfolgreich und souverän es wirkt – hat immer mit Sorgen und Selbstzweifeln zu kämpfen. Wenn es uns gelingt, uns auf die richtige Weise zu öffnen, wird sich auch unser*e Gesprächspartner*in mit einiger Wahrscheinlichkeit trauen, über die Themen zu sprechen, die ihm oder ihr auf der Seele brennen.

Aus diesen Gründen brauchen wir Small Talk nicht zu scheuen, wenn wir auf der Suche nach Deep Talk sind. Ein Mensch, der es versteht, gute Gespräche zu führen, weiß, dass die belanglosen Themen lediglich die ersten – oft unbeholfenen – Schritte zu der Aufrichtigkeit und Tiefe sind, nach der wir uns im Grunde alle sehnen.


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By The School of Life

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