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Einfachheit und innere Ruhe

Einfachheit und innere Ruhe

Gute Eltern sind sich darüber im Klaren, dass das Leben eines kleinen Kindes nur ein gewisses Maß an Aufregung verträgt: nach einem spannenden Nachmittag, einer Wohnung voller Leute und ihren mitgebrachten Geschenken, nach viel Rumtollen und Rumkuscheln, Geburtstagskuchen und Musik, ist es dann auch mal genug.

Das Kind wird langsam trotzig und schließlich in Tränen ausbrechen. Kluge Eltern wissen, dass eigentlich alles in Ordnung ist, auch wenn ihr Kind gerade heult: es ist wahrscheinlich einfach nur müde und sollte ins Bett.

Das Gehirn muss erst mal alles sacken lassen und die vielen Eindrücke verarbeiten, die gerade gemacht wurden; und so werden die Vorhänge zugezogen, das Kind wird sanft neben seine Spielsachen gebettet und ist bald eingeschlafen; Ruhe stellt sich ein, und jeder weiß, dass das Leben in einer Stunde schon wieder ganz anders aussehen wird.

Traurigerweise sind wir mit uns selbst oft weit weniger fürsorglich. Wir planen eine Woche, in dener wir uns jeden Abend mit Freunden treffen, daneben 12 Meetings haben (wovon drei eine Menge an Vorbereitung benötigen), in der Nacht auf Mittwoch kurz in ein anderes Land jetten, um dort drei Filme zu sehen, 14 Zeitungen lesen, sechs Garnituren Bettwäsche wechseln, fünf schwere Mahlzeiten nach 8 Uhr abends essen und 30 Kaffees trinken – und dann klagen wir aber darüber, dass unser Leben nicht so entspannt verläuft, wie wir es gerne hätten und wir nah am psychischen Zusammenbruch sind.

Wir weigern uns, ernsthaft zu erkennen, wie viel von unseren frühkindlichen Verhaltensweisen noch in uns vorhanden sind – und tun uns daher oft schwer, die Dinge ruhig und sehr gelassen anzugehen. Was sich dann als innere Unruhe bemerkbar macht, ist kein sonderbares Phänomen; es ist die logische Forderung unseres Gehirns, uns nicht ständig und auf erschöpfende Art und Weise zu vielen äußeren Reizen auszusetzen.

Die folgenden Vorschläge können uns dabei helfen, unser Leben zu vereinfachen:

Weniger Menschen – weniger Verpflichtungen  

Theoretisch betrachtet ist es ein Privileg, viele Menschen um sich zu haben und ständig viel unternehmen zu können. Aus psychologischer Sicht ist es jedoch unglaublich erschöpfend und, letztlich, sogar gefährlich.

Auch wenn die Ausdrucksweise etwas unzeitgemäß und brutal erscheinen mag, und man durchaus etwas nuancierter an die Sache rangehen kann, so ist Nietzsche’s Argument aktueller denn je:

“Alle Menschen zerfallen, wie zu allen Zeiten so auch jetzt noch, in Sclaven und Freie; denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sclave, er sei übrigens wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter.”

Wir müssen erkennen, dass das, was uns an einem Tag physisch machbar erscheint, nicht immer auch psychologisch klug oder machbar ist. Es mag ja durchaus möglich sein, an einem Tag in eine oder zwei Hauptstädte anderer Länder zu reisen oder neben dem Haushalt auch eine Firma zu leiten, allerdings sollte es uns auch nicht überraschen, wenn derartige Routinen früher oder später zum Zusammenbruch führen.


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Schlaf

Natürlich so viel davon wie möglich; wenigstens sieben Stunden. Und wenn wir das nicht unterbringen, dann müssen wir uns zumindest darüber bewusst werden, wie erschöpft wir sind, sodass wir unsere Sorgen nicht noch durch die Suche nach einer abstrusen Erklärung dafür verschlimmern. Wir müssen nicht gleich die Scheidung einreichen, unseren Karrierepfad radikal ändern oder auswandern: wir müssen uns nur mal etwas Ruhe gönnen.

Medien

Die Menge an Reizen, die auf uns einprasseln, wenn wir unsere Smartphones checken ist vermutlich für sich genommen die größte Ursache für unsere psychische Überforderung. Historisch betrachtet, war es die meiste Zeit undenkbar so etwas wie ein “zu viel an Neuigkeiten” zu haben. Informationen aus politischen Kreisen oder anderen Ländern war selten, hochgeschätzt und teuer (es war genauso unwahrscheinlich sich daran “satt zu fressen”, wie an einem Schokoriegel). Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Neuigkeiten jedoch für jeden zugänglich und so zu einem großen Risiko für unsere mentale Gesundheit – auch wenn das Bewusstsein dafür immer noch schwach ausgeprägt ist.

In jeder Minute eines jeden Tages drängen sich uns unzählige Gelegenheiten dafür auf, unsere Köpfe mit den Schicksalen fremder Menschen auf unserem so geschätzten Planeten zu überladen, von Manie, Ausbeutung, und Rohheit zu Rückschlägen, Ambitionen, Triumphen, Wahnsinn, bis hin zu gefühlten Weltuntergängen. Ständig fordern immer neue Nachrichtenseiten von uns, irgendetwas wissen zu müssen, und das natürlich sofort. Was sie allerdings vergessen zu sagen ist, dass wir mindestens genauso oft – wenn nicht sogar in noch weitaus stärkerem Maße – vieles nicht wissen müssen: einfach, weil wir im Prinzip gar nichts ändern können, weil die Geschichten zu gewaltvoll, entmutigend und traurig sind, weil wir zu verletzlich sind, stärkere Verpflichtungen in unserem näheren Umfeld haben, oder zu allererst unser eigenes Leben auf die Reihe bekommen müssen statt uns von den Geschichten jener verzehren zu lassen, die uns letztlich so fremd sind, so unbedeutend für uns sind wie die Einwohner des Ägyptens unter König Sneferu im Jahre 2.613 vor Christus.

Ernährung

Es macht uns langsam wahnsinnig, ständig damit konfrontiert zu werden und dann auch noch in so spezieller und ständig wechselnder Form, aber grundsätzlich müssen wir – kurz gesagt – weniger und einfacher essen. Was die Ernährungsweise einer emotional aufgewühlten Person betrifft, genügt es an dieser Stelle vielleicht zu sagen, dass sie wohl Nüsse, ein paar Spalten eines Apfels, Oliven, Marillen und Schwarzbrot beinhalten sollte. Der Körper benötigt längere Phasen, in denen er sich nicht um das Verdauen von Essen kümmern muss, um die oft eigenwillige Diät unserer turbulenten Psyche verarbeiten zu können.

Gedanken

Schlaflosigkeit und innere Unruhe sind die Rache des Geistes für all die Gedanken, die wir während des Tages von unserem Bewusstsein fernhalten. Um zur Ruhe zu kommen, müssen wir uns etwas Zeit dafür freischaufeln, nichts anderes zu tun, außer mit Block und Stift ausgestattet im Bett zu liegen und nachzudenken. Drei Fragen müssen wir uns dabei im Besonderen stellen:

-Was ist es, das mich so unruhig sein lässt?

-Wer fügt mir Schmerz zu und auf welche Weise?

-Was begeistert und fasziniert mich auf?

Wir müssen uns durch die chaotischen Bereiche unseres Geistes kämpfen. Jede Stunde unseres Lebens erfordert mindestens 10 Minuten der Sichtung und Überprüfung. Wir müssen uns quasi dadurch Orientierung in der Geschichte unseres nie stillstehenden Lebens verschaffen, indem wir die nächsten paar Paragraphen selbst schreiben.

Wir sollten auch etwas vorausdenken. Auf einem anderen Block sollten wir uns notieren, “was auf uns zukommen wird”. Mit einem bisschen von der Fürsorge, die Eltern ihrem Kind entgegenbringen, wenn es darum geht, den nächsten Schultag zu bewältigen (was oft schon zum etablierten Teil von uns gehört; wir müssen uns selbst gegenüber jedoch noch bessere Eltern werden), sollten wir die Herausforderungen kommen sehen, die vor uns liegen: wann wir das Taxi bestellen sollen, wie wir unsere Telefonate einteilen, wie wohl das weniger erfreuliche Gespräch mit einem Kollegen verlaufen wird. Erfahrungen wie diese verlieren zumindest ihre halbe, belastende Kraft, wenn wir sie am Tag davor bereits in unseren Köpfen durchgespielt haben.

Erwartungen

Natürlich mag es ganz nett sein,  außergewöhnlich, berühmt und weltbester zu sein; eine viel größere Leistung ist es aber vielleicht, geistig gesund und nett zu bleiben. Demnach würden wir uns vielleicht nicht dafür entscheiden, die Welt zu erobern, als vielmehr stattdessen ein längeres, gelasseneres Leben führen zu können. Dabei weichen wir nicht vor einer Herausforderung zurück; eher lenken wir unseren Blick der wirklichen Aufgabe zu – und, was noch wichtiger ist, auf die eigentliche Belohnung. Ein ruhiges Leben muss nicht unbedingt von Resignation oder Rückzug geprägt sein, sondern kann auf der überaus weisen Erkenntnis beruhen, dass die wirklich erfüllenden Dinge abseits vom Scheinwerferlicht und den großen Städten zu finden sind, weit weg vom manischen, schlafraubenden Wettbewerb um Status und Karriere – auch ohne große materielle Reichtümer.

Schönheit     

Es wäre überaus hilfreich, wenn wir unsere innere Ruhe auch unabhängig von einer schönen Aussicht oder Raumdekoration finden könnten.

Allerdings sind wir leider viel empfindsamer. Genauso wie es für kleine Kinder hilfreich sein mag, einen Raum in einem sanften lila zu halten, kann es für unser Innenleben unheimlich positiv sein, nur wenige Objekte in unserem unmittelbaren Blickfeld zu haben – und die vorhandenen in harmonischer Anordnung vorzufinden (idealerweise mit etwas Symmetrie und sich wiederholenden Formen).

Die Welt, wie wir sie visuell wahrnehmen, verwandelt sich nicht auf magische Weise in eine Stimmung; sie kann aber durchaus eine befördern und anregen. Wir müssen daher alles unternehmen, um unser Zuhause so zu gestalten, dass es auf visueller Ebene die Ruhe verspricht, nach der wir uns auf einer psychologischen sehnen.

Wie wir also sehen, ist Aufregung für eine gewisse Zeit lang ganz nett; bis sie uns irgendwann umbringt. In der Einfachheit liegt die wahre Weisheit; wir brauchen mehr Nickerchen.

Bild: Sarah Dorweiler


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By The School of Life

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