
01/23/2019
All, Liebe & Beziehungen, Selbst & Andere
Die Kraft von Verletzlichkeit in Freundschaften
Es ist uns nicht immer klar, wie gute Freundschaften entstehen. Es scheint irgendwie mysteriös abzulaufen. Wir sagen, dass zwei Menschen sich eher zufällig „finden”. Zu versuchen, Freundschaften bewusst zu planen, klingt nach Täuschung. Aber es gibt etwas Grundlegendes in Freundschaften, das wichtig zu sein scheint und das man erlernen muss: Verletzlichkeit.
Es ist zu einfach anzunehmen, dass das, was uns sympathisch macht, unsere Stärken und Erfolge seien oder die Dinge, auf die wir stolz sind. Sicherlich, das beeindruckt. Aber das ist es nicht, was andere an uns interessant finden. Wir kommen jemandem näher, je mehr sie und wir in der Lage sind, uns mit Bedacht von den offiziellen Storys zu trennen, wie wir als Menschen idealerweise zu sein haben. Je mehr wir stattdessen in der Lage sind, auch die unangenehmen Wahrheiten hinter unserer fröhlichen Fassade zu zeigen, desto eher können wir echte Verbindungen erschaffen.
Das sind die Wahrheiten, die wir zu lange für uns behalten haben. Wie unser Sexleben tatsächlich ist, im Kontrast zu medialen Idealbildern; wie neidvoll wir auf andere Karrieren blicken; wie unbefriedigend unsere Familie sein kann; wie besorgt wir ständig sind.
Wenn wir diese Dinge offen zeigen, setzten wir uns großer Gefahren aus. Andere könnten lachen oder sogar einen Heidenspaß daran in den sozialen Medien haben. Darum geht es: Wir können einander nur näher kommen, wenn wir Dinge offenbaren, mit denen man uns demütigen könnte, wenn sie in falsche Hände geraten.
Freundschaft ist somit gewissermaßen die Dividende der Dankbarkeit, die aus jener Anerkennung entspringt, dass jemand einem etwas sehr Wertvolles angeboten hat. Kein teures Geschenk, sondern etwas noch Wertvolleres: den Schlüssel zur eigenen Selbstachtung und Würde. Es stimmt sehr nachdenklich, dass wir solche Mühen aufwenden, um vor den Augen der Welt stark zu erscheinen. Wenn es die ganze Zeit doch gerade die Enthüllungen unserer peinlichen, traurigen, melancholischen und ängstlichen Teile unseres Selbst sind, die uns liebenswert machen und die aus Fremden Freunde werden lassen.
