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Werden die Sorgen je weniger?

Die trügerische Hoffnung, die wir mit unseren Sorgen und Ängsten verbinden, ist, dass sie ein Ende haben werden – wenn wir endlich unser Studium abschließen, einen Job finden, jemanden heiraten, ein Haus bauen. Aber die Realität – nüchtern und ungeschönt – ist viel beunruhigender, ja fast unmöglich zu akzeptieren: dass die Angst, was auch immer wir versuchen, einfach eine Konstante in uns ist, etwas, das uns nie ganz in Ruhe lassen wird.

Sie ist das vielseitigste und einfallsreichste aller Leiden, das immer wieder neue Wege findet, um zurückzukehren, uns zu stören und sich zwischen uns und das zu schieben, was wir eigentlich wertschätzen wollen – einen schönen Tag, einen Orangenbaum, unsere Kinder. Das, worüber wir uns Sorgen machen, wird sich ändern; die Tatsache, dass wir uns Sorgen machen, bleibt bestehen.

Aber warum nur? Welcher Fluch lastet auf uns – der besorgten Generation -, die wir zu lebenslanger Bestrafung auserkoren zu sein scheinen und unsere Bedrohungen, unser Bedauern und unsere Scham nie länger als ein paar Stunden vergessen können?

Vielleicht sollten wir aufhören, uns – zu allem Überfluss – darüber zu sorgen, dass wir uns sorgen. Wir sollten unseren Kummer mit Anmut, gemäßigter Wut und viel Humor annehmen.


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Wir machen uns schließlich aus guten Gründen Sorgen: weil wir in eine Welt hineingeboren wurden, in der es keine Garantien gibt. Weil wir schon mal im Stich gelassen wurden und es vielleicht wieder werden. Weil wir am Anfang nicht richtig in den Arm genommen oder besänftigt wurden und die Angst nun in unserem Körper eingeschrieben ist. Weil die Mutter uns Angst machte und der Vater uns anschrie. Weil andere grausam waren, lange bevor wir bereit waren, das Problem bei ihnen und nicht bei uns selbst zu suchen.

Wir machen uns Sorgen, weil nicht nur unsere Fähigkeit, Dinge zu meistern, gewachsen ist, sondern auch die Herausforderungen. Weil wir mit der falschen Person zusammenkamen oder weil die richtige Person uns verlassen hat. Weil unsere finanziellen Angelegenheiten kompliziert wurden. Weil die Politik verrückt geworden ist. Weil unsere Körper verletzlich geworden sind. Weil wir uns Feinde gemacht haben. Weil uns die Zeit sehr schnell davonläuft. Weil wir nicht genügend Freunde haben, die uns erlauben, schwach zu sein, die leiden wie wir, die sanft sein können, weil sie unsere Zerbrechlichkeit genau kennen. Wir machen uns Sorgen, weil wir immer noch kein richtiges Zuhause haben, wo wir uns nicht mehr verstellen und weinen können, wenn wir das brauchen.

Wir sind schräg, aber wir müssen uns damit nicht allein fühlen.

Es gibt so viele Vorschläge zur Heilung unserer Ängste: tiefer atmen, mehr Sport treiben, an die frische Luft gehen, mehr Obst essen, in Stille sitzen. Diese Vorschläge sind durchaus wohlmeinend. Wir bewundern die Gurus, die sie vorschlagen. Aber genauso wichtig könnte das Recht sein, das Problem beim Namen zu nennen und sich laut darüber zu beschweren, ohne den Druck, weise oder auch nur annähernd erwachsen zu erscheinen. Ausgiebig weinen und (leise) schreien zu dürfen. Das Privileg zu haben, andere Menschen zu finden, die genauso leiden wie wir, und die uns keine Sentimentalität oder Verleugnung aufzwingen wollen.

Vielleicht kommt der größte Frieden, der uns zuteil werden kann, aus dem Wissen, dass unsere Qualen niemals vollständig enden werden. Wir mögen uns an den schönen Vorstellungen von Ruhe erfreuen, an den Versprechungen von Gelassenheit, aber wir werden sie nie ganz erreichen. Dies zu akzeptieren, ist der ultimative Trost. Wir sind schräg, aber wir müssen uns damit nicht allein fühlen. Vielen von uns geht es genauso, auch wenn wir das in der Öffentlichkeit nur selten sagen können, auch wenn es kaum äußere Anzeichen dafür gibt.

Was uns selbst betrifft, so verstehen wir das. Wir wissen es. Anderen geht es genau so. Wir könnten die besten Freund*innen sein, uns gegenseitig durch das Land der Sorgen begleiten. Wir können einander in unseren Sorgen annehmen und mit Zärtlichkeit und Verzweiflung gemeinsam über den unaufhörlichen Schmerz lachen.

By The School of Life

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